Dienstag, 26. Mai 2020
Das trunkene Schiff
Der virtuelle Themen-Abend geriert sich zugleich aufbrausend als auch lyrisch: seit einigen Jahren beschäftigt sich die Schauspielerin Anne Bennent mit Arthur Rimbauds berühmtem Gedicht „Le Bateau îvre“, und zwar sowohl im französischen Original, als auch in den Übersetzungen von Paul Celan und Samuel Beckett. In dieser trunkenen Stunde können Sie erleben, wie sich Stimmung und Charakter eines Gedichts durch Wechsel der Sprache und der musikalischen Reaktion darauf verändern können. „Lassen Sie sich mitreißen, auch wenn Sie nicht jedes Wort verstehen. Wer will behaupten zu verstehen, was Rimbaud in seinem „Trunkenen Schiff“ wirklich meint!“, so die weiland Burgschauspielerin und jetzt vor allem in selbstgewählten Produktionen Tätige (O-Ton) im Zusammenhang mit einer früheren Aufführung.
Karl Ritter begleitet Anne Bennent bei ihrer impulsiven Interpretation, umrahmt wird die filmische Collage mit 2 Stücken von Otto Lechner. Tauchen Sie ein in die phantastische turbulente Welt Arthur Rimbauds und erleben Sie Literatur auf ganz spezielle Art!
Prolog
Otto Lechner Windspiel II
4:07 min.
Filmische Collage „Le Bateau îvre“ mit Anne Bennent und Karl Ritter,
visuell umgesetzt von Wolfgang Bledl. Laufzeit 9:35 min.
Manuskripte
Manuskript französisch
Le Bateau îvre
Arthur Rimbaud
Comme je descendais des Fleuves impassibles,
Je ne me sentis plus guidé par les haleurs:
Des Peaux-rouges criards les avaient pris pour cibles,
Les ayant cloués nus aux poteaux de couleurs.
J’étais insoucieux de tous les équipages,
Porteur de blés flamands ou de cotons anglais.
Quand avec mes haleurs ont fini ces tapages,
Les Fleuves m’ont laissé descendre où je voulais.
Dans les clapotements furieux des marées,
Moi, l’autre hiver, plus sourd que les cerveaux d’enfants,
Je courus! Et les Péninsules démarrées
N’ont pas subi tohu-bohus plus triomphants.
La tempête a béni mes éveils maritimes.
Plus léger qu’un bouchon j’ai dansé sur les flots
Qu’on appelle rouleurs éternels de victimes,
Dix nuits, sans regretter l’œil niais des falots!
Plus douce qu’aux enfants la chair des pommes sures,
L’eau verte pénétra ma coque de sapin
Et des taches de vins bleus et des vomissures
Me lava, dispersant gouvernail et grappin.
Et dès lors, je me suis baigné dans le Poème
De la Mer, infusé d’astres, et lactescent,
Dévorant les azurs verts; où, flottaison blême
Et ravie, un noyé pensif parfois descend;
Où, teignant tout à coup les bleuités,
délires Et rythmes lents sous les rutilements du jour,
Plus fortes que l’alcool, plus vastes que nos lyres,
Fermentent les rousseurs amères de l’amour!
Je sais les cieux crevant en éclairs, et les trombes
Et les ressacs et les courants: je sais le soir,
L’Aube exaltée ainsi qu’un peuple de colombes,
Et j’ai vu quelquefois ce que l’homme a cru voir.
J’ai vu le soleil bas, taché d’horreurs mystiques,
Illuminant de longs figements violets,
Pareils à des acteurs de drames très antiques
Les flots roulant au loin leurs frissons de volets!
J’ai rêvé la nuit verte aux neiges éblouies,
Baiser montant aux yeux des mers avec lenteurs,
La circulation des sèves inouïes,
Et l’éveil jaune et bleu des phosphores chanteurs!
J’ai suivi, des mois pleins, pareille aux vacheries
Hystériques, la houle à l’assaut des récifs,
Sans songer que les pieds lumineux des Maries
Pussent forcer le mufle aux Océans poussifs!
J’ai heurté, savez-vous, d’incroyables Florides
Mêlant aux fleurs des yeux de panthères à peaux
D’hommes! Des arcs-en-ciel tendus comme des brides
Sous l’horizon des mers, à de glauques troupeaux.
J’ai vu fermenter les marais énormes, nasses
Où pourrit dans les joncs tout un Léviathan!
Des écroulements d’eaux au milieu des bonaces,
Et les lointains vers les gouffres cataractant!
Glaciers, soleils d’argent, flots nacreux, cieux de braises,
Echouages hideux au fond des golfes bruns
Où les serpents géants dévorés des punaises
Choient, des arbres tordus, avec de noirs parfums!
J’aurais voulu montrer aux enfants ces dorades
Du flot bleu, ces poissons d’or, ces poissons chantants.
Des écumes de fleurs ont bercé mes dérades
Et d’ineffables vents m’ont ailé par instants.
Parfois, martyr lassé des pôles et des zones,
La mer dont le sanglot faisait mon roulis doux
Montait vers moi ses fleurs d’ombre aux ventouses jaunes
Et je restais, ainsi qu’une femme à genoux …
Presque île, ballottant sur mes bords les querelles
Et les fientes d’oiseaux clabaudeurs aux yeux blonds.
Et je voguais, lorsqu’à travers mes liens frêles
Des noyés descendaient dormir, à reculons! …
Or moi, bateau perdu sous les cheveux des anses,
Jeté par l’ouragan dans l’éther sans oiseau,
Moi dont les Monitors et les voiliers des Hanses
N’auraient pas repêché la carcasse ivre d’eau;
Libre, fumant, monté de brumes violettes,
Moi qui trouais le ciel rougeoyant comme un mur
Qui porte, confiture exquise aux bons poètes,
Des lichens de soleil et des morves d’azur;
Qui courais, tache de lunules électriques,
Planche folle, escorté des hippocampes noirs,
Quand les juillets faisaient crouler à coups de triques
Les cieux ultramarins aux ardents entonnoirs;
Moi qui tremblais, sentant geindre à cinquante lieues
Le rut des Béhémots et des Maelstroms épais,
Fileur éternel des immobilités bleues,
Je regrette l’Europe aux anciens parapets!
J’ai vu des archipels sidéraux! et des îles
Dont les cieux délirants sont ouverts au vogueur:
Est-ce en ces nuits sans fond que tu dors et t’exiles,
Million d’oiseaux d’or, ô future Vigueur? –
Mais, vrai, j’ai trop pleuré! Les Aubes sont navrantes.
Toute lune est atroce et tout soleil amer:
L’âcre amour m’a gonflé de torpeurs enivrantes.
O que ma quille éclate! O que j’aille à la mer!
Si je désire une eau d’Europe, c’est la flache
Noire et froide où vers le crépuscule embaumé
Un enfant accroupi plein de tristesses,
lâche Un bateau frêle comme un papillon de mai.
Je ne puis plus, baigné de vos langueurs, ô lames,
Enlever leur sillage aux porteurs de cotons,
Ni traverser l’orgueil des drapeaux et des flammes,
Ni nager sous les yeux horribles des pontons.
Manuskript deutsch
Das trunkene Schiff
Paul Celan
Hinab glitt ich die Flüsse, von träger Flut getragen,
da fühlte ich: es zogen die Treidler mich nicht mehr.
Sie waren, von Indianern ans Marterholz geschlagen,
ein Ziel an buntem Pfahle, Gejohle um sich her.
Ich scherte mich den Teufel um Männer und um Frachten;
wars flämisch Korn, wars Wolle, mir war es einerlei.
Vorbei war der Spektakel, den sie am Ufer machten,
hinunter gings die Flüsse, wohin, das stand mir frei.
Derweil die Tide tobte und klatschte an den Dämmen,
flog ich, und es war Winter, wie Kinderhirne stumpf, dahin.
Und wär es möglich, daß jemals Inseln schwämmen,
kein solcher Gischt umbraust’ sie, kein ähnlicher Triumph.
Ein leichter Korken, tanzt ich dahin auf steiler Welle:
die erste Meerfahrt haben die Stürme benedeit.
Von solcher Welle heißt es, sie töte und sie fälle –
Die albernen Laternen der Häfen blieben weit!
So süß kann Kindermündern kein grüner Apfel schmecken,
wie mir das Wasser schmeckte, das grün durchs Holz mir drang.
Rein wuschs mich vom Gespeie und von den Blauweinflecken,
fort schleudert es das Steuer, der Draggen barst und sank.
Des Meers Gedicht! Jetzt konnt ich mich frei darin ergehen,
Grünhimmel trank ich, Sterne, taucht ein in milchigen Strahl
und konnt die Wasserleichen zur Tiefe gehen sehen:
ein Treibgut, das versonnen und selig war und fahl
Die Rhythmen und Delirien, das Blau im rauchigen Schleier,
verfärbt sind sie im Nu hier, versengt sind sie, verzehrt:
so brannte noch kein Branntwein, kein Lied und keine Leier,
wie hier das bittre Rostrot der Liebe brennt und gärt!
Ich weiß, wie Himmel bersten, ich kenn die Dämmerungen,
die Strömung und die Dünung, die Woge, die sich bäumt,
die Früh – verzückt wie Tauben, die sich emporgeschwungen,
und manchmal sah mein Auge, was Menschenauge träumt.
Ich sah die Sonne hängen – mystisch geflecktes Grauen,
und violett, geronnen, Leuchtstreifen, endlos weit,
und sah die Fluten schaufeln und groß die Bühne bauen,
ein Schauspiel sah ich spielen, das alt war wie die Zeit!
Im Traum sah ich die Schneenacht, die grüne, sich erheben:
ein Kuß stieg zu den Augen der Meeres-Au empor.
Ein Kreisen wars von Säften, ein unerhörtes Weben,
und blau und gelb erwachte der singende Phosphor!
Ich folgt und folgt der Horde von wildgewordnen Kühen:
der See, die Klippen stürmte, folgt ich auf ihrem Ritt.
Vergessen wart ihr, Füße der leuchtenden Marien:
hier keuchten Meeresmäuler – sie schloß kein Heiligentritt!
Wißt ihr, ich lief auf Land auf, wie ihrs nicht schaut im Traume:
Des Menschenpanthers Augen – den Blumen beigesellt!
Ich sah im weitgespannten, im Regenbogenzaume
flutgrün die Herden ziehen am Grund der Meereswelt.
Ich sah, wie’s in den Sümpfen, den Riesenreusen, gärte,
darin den Leviathan, verwesend zwischen Tang.
Und Wasserstürze sah ich, wo sich die Stille mehrte,
und schaute, wie die Ferne zur Tiefe niedersank!
Sah Gletscher, Silbersonnen, Gluthimmel, Perlmuttfluten,
den braunen Golf, wo greulich ein Wrack beim andern steht,
und sah die Riesenschlange, ein Fraß der Wanzenbruten,
vom Krüppelbaume fallen, von schwarzem Duft umweht!
Wo seid ihr, Kinderaugen, zu schaun die Herrlichkeiten?
Das Schuppengold der Welle, den Goldfisch, der da singt! –
Dies schaumumblühte Driften, dies Zwischen-Blumen-Gleiten!
Der Wind, der Wind unsäglich, der meine Fahrt beschwingt!
Und litt ich Pein, der Pole und Wendekreise müde,
so schluchzt’ es in den Wassern, ich schlingerte dahin,
mit gelbem Saugnapf tauchte empor die Schattenblüte –
ein Weib, so blieb ich liegen, ein Weib auf Weibesknien.
Gewölle und Gezänke hab ich an Bord genommen,
ich war das Vogel-Eiland – blond äugte, was da flog.
Ich trieb mit loser Spante, ich schwamm und ward durchschwommen:
ein Leichnam um den andern, der rücklings schlafwärts zog.
Und ich – verstrickt, verloren im Haar geheimer Buchten,
hinauf ins Vogellose geworfen vom Orkan:
sie fahren nicht, die Klipper, die Koggen, die mich suchten,
des wassertrunknen Rumpfes nimmt sich kein Schlepptau an.
Frei war ich und ich rauchte, von Nebelblau bestiegen,
ich stieß durch Feuerhimmel, ich stieß sie alle ein,
und was den Dichtern mundet, das fühlt ich auf mir liegen:
es waren Sonnenflechten, es war azurner Schleim.
Ich – mondgefleckt, elektrisch: die tollgewordne Planke!
Seepferdchen kam in Scharen und war mein schwarzer Troß.
Ihr Himmel blau und tiefblau, ich sah euch alle wanken,
ich sah, wie euch der Juli durch Glutentrichter goß!
Der Behemoth, der Mahlstrom durchstöhnte jene Breiten,
ich spürte beider Brunstlaut – ein Schauder ging durch mich,
ich schwamm und schwamm durch blaue, durch Regungslosigkeiten
− Europa, deine Wehren, die alten misse ich!
Und ich sah Inselsterne, sah Archipele ragen,
darüber Fieberhimmel – das Tor der Wanderschaft!
Hats dich dorthin, ins Nächtige und Nächtigste verschlagen,
du goldnes Vogeltausend, du künftige, du Kraft?
Doch wahr, genug des Weinens! Der Morgen muß enttäuschen.
Ob Nacht-, ob Taggestirne, keins, das nicht bitter wär:
ich schwoll von herber Liebe, erstarrt in Liebesräuschen
− O du mein Kiel, zersplittre! Und über mir sei, Meer!
Und gäb es in Europa ein Wasser, das mich lockte,
so wärs ein schwarzer Tümpel, kalt, in der Dämmernis,
an dem dann eins der Kinder, voll Traurigkeiten, hockte
und Boote, falterschwache, und Schiffchen segeln ließ’.
Wen du umschmiegt hast, Woge, um den ist es geschehen,
der zieht nicht hinter Frachtern und Baumwollträgern her!
Nie komm ich da vorüber, wo sich die Fahnen blähen,
und wo die Brücken glotzen, da schwimm ich nimmermehr!
Manuskript englisch
Drunken boat
Samuel Beckett
Downstream on impassive rivers suddenly
i felt the towline of the boatmen slacken.
redskins had taken them in a scream and stripped and
skewered them to the glaring stakes for targets.
then, delivered from my straining boatmen,
and from the trivial racket of trivial crews and from
the freights of Flemish grain and English.cotton,
i made my own course down the passive rivers
Blanker than the brain of a child I fled
Through winter, I scoured the furious jolts of the tides,
In an uproar and a chaos of Peninsulas,
Exultant, from their moorings in triumph torn.
I started awake to tempestuous hallowings.
Nine nights I danced like a cork on the billows, I danced
On the breakers, sacrificial, for ever and ever
And the crass eye of the lanterns was expunged’
More firmly bland than to children apples firm pulp,
Soaked the green water through my hull of pine,
Scattering helm and grappling and washing me Of the stains.
the vomitings and bluewine.
Thenceforward, fused in the poem, milk of stars,
Of the sea, I coiled through deeps of cloudless green
Where, dimly, they come swaying down,
Rapt and sad, singly, the drowned
Where, under the sky’s haemorrhage, slowly tossing
In thuds of fever, arch-alcohol of song,
Pumping over the blues in sudden stains,
The bitter rednesses of love ferment
I know the heavens split with lightnings and the currents
Of the sea and its surgings and its spoutings; I know evening,
And dawn exalted like a cloud of doves
And my eyes have fixed phantasmagoria.
I have seen, as shed by ancient tragic footlights,
Out from the horror of the low sun’s mystic stains,
Long weals ofviole t creep across the sea
And peals of ague rattle down its slats.
I have dreamt the green night’s drifts of dazzled snow,
The slow climb of kisses to the eyes of the seas,
The circulation of unheard of saps,
And the yellow-blue alarum of phosphors singing
I have followed months long the maddened herds of the surf
Storming the reefs, mindless of the feet,
The radiant feet of the Marys that constrain
The stampedes of the broken-winded Oceans.
I have fouled, be it known, unspeakable Floridas, tangle of
The flowers of the eyes of panthers in the skins of
Men and the taut rainbows curbing,
Beyond the brows of the seas, the glaucous herds.
I have seen Leviathan sprawl rotting in the reeds
Of the great seething swamp-nets;
The calm sea disembowelled in waterslides
And the cataracting of the doomed horizons.
Iridescent waters, glaciers, suns of silver, flagrant skies,
And dark creeks’ secret ledges, horror-strewn,
Where giant reptiles, pullulant with lice,
Lapse with dark perfumes from the writhing trees
I would have shown to children those dorados
Of the blue wave, those golden fish, those singing fish;
In spumes of flowers I have risen from my anchors
And canticles ofwind have blessed my wings.
Then toward me, rocking softly on its sobbing,
Weary of the torment of the poles and zones,
The sea would lift its yellow polyps on flowers
Of gloom and hold me-like a woman kneeling
A stranded sanctuary for screeching birds,
Flaxen-eyed,.shiteing on my trembling decks,
Till down they swayed to sleep, the drowned, spreadeagled,
And, sundering the fine tendrils, floated me.
Now I who was wrecked in the inlets’ tangled hair
And flung beyond birds aloft by the hurricane,
Whose carcass drunk with water Monitors
And Hanseatic sloops could not have salved
Who, reeking and free in a fume of purplespray,
Have pierced the skies that flame as a wall would flame
For a chosen poet’s rapture, and stream and flame
With solar lichen and with azure snot;
Who scudded, with my escort of black sea-horses,
Fury of timber, scarred with electric moons,
When Sirius flogged into a drift of ashes
The furnace-cratered cobalt of the skies:
I who heard in trembling across a waste of leagues
The turgent Strorns and Behemoths moan their rut,
I weaving for ever voids of spellbound blue,
Now remember Europe and her ancient ramparts.
I saw archipelagoes of stars and islands launched me
Aloft on the deep delirium of theirskies:
Are these the fathomless nights of your sleep and exile,
Million of golden birds, oh Vigour to be?
But no more tears. Dawns have broken myheart,
And every moon is torment, every sun bitterness;
I am bloated with the stagnant fumes of acrid loving
May I split from stem to stern and founder, ah founder!
I want none of Europe’s waters unless it be
The cold black puddle where a child, full of sadness,
Squatting, looses a boat as frail
As a moth into the fragrant evening.
Steeped in the languors oft he swell, I may
Absorb no more the wake of the cotton-freighters,
Nor breast the arrogant oriflammes and banners,
Nor swim beneath the leer oft he pontoons.
Epilog
Otto Lechner Wind geht
3:28 min.
Anne Bennent – Rezitation
austria-forum.org/af/AustriaWiki/Anne_Bennent
Karl Ritter – Akustikgitarre
www.karlritter.at
Otto Lechner – Akkordeon
www.ottolechner.at